Lorbeeren für Hammerschmidt
Grafiker gilt als einer der besten Illustratoren Europas >
Gerade ist der vierte Band von "Freistil" im Hermann-Schmidt-Verlag erschienen. Alle zwei Jahre werden in diesem Werk die besten Illustratoren Europas vorgestellt. Zum vierten Mal in Folge hat
die Jury des renommierten Verlages auch Arbeiten von Reinhart Hammerschmidt ausgewählt - der aktuelle Bildband enthält Neues von dem Bremer Grafiker.
Bis Ende dieser Woche werden im Buchladen Ostertor, Fehrfeld 60, ausgewählte Hammerschmidt-Arbeiten gezeigt. Und zwar in den beiden Schaufenstern, weil im Laden selbst nicht genug Platz ist. Dort
können allerdings alle Freistil-Bände erworben werden.
Hammerschmidt lebt als freischaffender Grafiker und Musiker im Viertel. Er kommt ursprünglich vom klassischen Zeichnen und studierte in Bremen. Später entdeckte er durch ein verwackeltes Foto,
wie spannend die Nutzung digitaler Medien ist.
So entstanden die gezeigten Werke teilweise bei Nacht wie beispielsweise die Aufnahmen des Mondes oder eines Feuerkünstlers. „Der Hintergrund meiner Arbeiten ist Musik, die ich bildlich
darstellen möchte", sagt der Künstler, der mit Verfremdung arbeitet. Neben international bekannten Festivals wie der Breminale, Tanz Bremen oder La Strada gestaltet Reinhart Hammerschmidt auch
für Kunden wie Tanzwerk, Jazzbüro Hamburg, Literaturhaus Bremen, Deutscher Tonkünstlerverband, Institute Cervantes oder der Galerie im Park und Kultur Nord.
Als Improvisationsmusiker spielt Reinhart Hammerschmidt, der seit 2004 auch der erste Vorsitzende der Musikerinitiative Bremen (MIB) ist, mit Künstlern aus den Bereichen Tanz, Film und Literatur.
Sein Hauptinstrument ist der Kontrabass. Weiter ist er Mitveranstalter der Konzertreihe Improvisationen, des "MIB-NIGHT"-Jazzfestivals, des "A CUTE MUSIC"-Festivals sowie der Impro-Sessions "LINK" und "richtig/falsch". Am Sonnabend, 11. Juli, wird der
Grafiker von 12 bis 14 Uhr im Buchladen Ostertor sein und Rede und Antwort stehen.
Text: Karin Osmers, Foto: Walter Gerbracht, Weserkurier, 6.6.2009
Reinhart Hammerschmidt
Grafiker und Musiker
Doppelt den Bogen raushaben >
Baupläne falten sich auf ins Ungewisse, Lichtpunkte mit knallroten Protuberanzen bedrängen kleine, rechteckige Felder. Früher einmal verschwand der argentinische
Tango nuevo-Meister Astor Piazolla, das zerknitterte Instrument auf den Knien, in einem Sturm von Linien und Punkten. Die Arbeiten des Grafikers Reinhart Hammerschmidt haben oft mit Musik zu tun. Was
nicht nur daran liegt, dass sie Programmhefte, Plakate oder informative Auslegware illustrieren, die auf Konzerte hinweisen.
Der 50-jährige Hammerschmidt steht mindestens mit einem Bein seiner Existenz selber drin in der Musik. Als Kontrabassist - und als Organisator verschiedener Reihen und Festivals, die er seit Jahren
mit der und für die Musikerinitiative Bremen organisiert. Dann geht es um Jazz, um Frei Improvisierte Musik, auch um den Bogenschlag zu anderen Künsten, wie etwa in einem Ensemble mit der Berliner
Tänzerin Fine Kwiatkowski. Mit seinem neuen Quartett KLANK arbeitet er gerade an einem abendfüllenden Stück mit vier Dutzend GrundschülerInnen.
Nicht nur dort liegen Beispiele dafür aus, wie er als Grafiker nicht wenig des hansestädtischen Kulturlebens seine äußere
Form gab und gibt: Von Angestelltenkammer bis TANZ Bremen, von Breminale bis zu den Readern der projektgruppe neue musik. Mit seinen gestalterischen Entwürfen - die ein eleganter Eigensinn mit den
musikalischen Entwürfen seines Kontrabassspiels verbindet -
hat es Hammerschmidt in alle bisherigen Ausgaben der Illustratoren-Bibel "Freistil" geschafft.
Tim Schomacker, KULTURKÖPFE, Das Magazin - Teil 2, 12.2008
Improvisierter „KLANK”
XXL-Minifestival im Cafe Grün
Klang und Kunst, freie Improvisation und Jazz, Illustrationen für Broschüren und Programmhefte, freie Arbeiten mit abstrakt tänzelnden Formen und Farben. Der Bremer Musiker und Grafiker Reinhart
Hammerschmidt bewegt sich im Grenzbereich zwischen Akustik und Optik, zwischen Kontrabass und Computeranimation.
Trotzdem führt der 50-Jährige kein Doppelleben mit strikt getrennten Welten - ganz im Gegenteil, bei ihm scheinen Musik und Kunst sich gegenseitig zu bedingen. Hammerschmidts Grafiken mit ihren
geschwungenen Formen und fließenden Farben wirken oft wie improvisierte Klänge, seine assoziationsreiche Musik hat parallel dazu etwas sehr Bildhaftes.
„Mich interessiert die Schnittstelle zwischen Kunst und Musik”, sagt der gelernte Jazz-Bassist und studierte Grafiker, der
sich im Bremer Kulturleben in beiden Disziplinen einen Namen gemacht hat. Als Illustrator und Grafiker arbeitet er seit Jahren für Veranstaltungen wie „TANZ Bremen”, das Straßentheaterfestival „La Strada” oder die „Breminale” und gestaltet die Programmhefte für die
„Projektgruppe Neue Musik”. Mit seinen Entwürfen hat es
Hammerschmidt immerhin in alle bisherigen Ausgaben der Illustratoren-Bibel „Freistil” geschafft.
Als Musiker ist er Mitglied des Bremer Improvisationsquartetts „BIQ”, spielt in der sechsköpfigen Kontrabass-Kohorte
„Ensemble Sondarc” und war für das Goethe-Institut bereits europaweit als Musik-Botschafter unterwegs.
Hammerschmidts aktuelles Projekt ist die die Gruppe „KLANK”, die am morgigen Freitag im Cafe Grün das
„XXL-Minifestival” der Konzertreihe „Improvisationen” eröffnen wird. Zeitgleich sind dort gestisch illustrative Collagen des Künstlers ausgestellt, die den vier Musikern von „KLANK”
einen Pfad durch die üppig wuchernden Klänge weisen sollen.
„Jeder hat einen Ausdruck mit einer Zeit-Partitur von etwa zehn Minuten vor sich”, erklärt er. Anhand des natürlich von
Reinhart Hammerschmidt selbst gestalteten Flyers für das Festival erkennt man die Idee für das Konzert.
Schmale Äderchen treffen hier auf satte, blutrote Venen, die in ihrem rhythmisch wilden Schwung an Graffiti auf Hauswänden oder Güterwaggons erinnern. Musik in Form und Farbe statt in Noten.
Zur Materialbeschaffung für diese Arbeiten ist Hammerschmidt durch die Stadt gestreift und hat Lichtquellen unterschiedlichster Art fotografiert. Durch die Bewegung der Kamera sind Schlieren und
abrupte Richtungswechsel entstanden, die das eigentliche Motiv, zum Beispiel eine Lichterkette, zwar bis zur Unkenntlichkeit entstellen, aber so eine ganz eigene Eleganz erhalten.
Geprobt wird schon für derartige Konzerte, das Ergebnis kann hinterher aber ganz anders ausfallen. „Gute Improvisatoren schaffen es, aufeinander einzugehen und trotzdem die eigene Stimme zu
behalten”, erklärt Reinhart Hammerschmidt.
York Schaefer, Weserkurier, 12.6.2008
Reinhart Hammerschmidt
Den Zufall generieren
Improvisatorische Verfahren in der Illustration >
Als Kontrabassist trat er schon in Archangelsk und Zürich auf. Beim Grafiker entstehen Plakate, Broschüren und Illustrationen. Reinhart Hammerschmidt ist Musiker und Grafiker – zu gleichen Teilen.
Aus einem Gespräch über die Sprachen der Klänge und Bilder.
Am Ende verdecken seine Hände Eric Dolphys Gesicht. Des eigensinnigen Saxophonisten Antlitz, Dunkelflächen, Striche, Bewegung, lag die ganze Zeit postkartengroß auf dem Tisch. Als Illustration
dessen, was früher war. Gezeichnet hat Reinhart Hammerschmidt dieses Jazz-Portrait als er noch studierte. Ein wenig in der Manier von Herbert Joos (der nicht nur Zeichner, sondern auch Trompeter
ist). Jetzt verdecken seine Hände das Gesicht, lenken den Blick auf eine mit Linien, Kanten und Ecken überzeichnete Fläche. „In letzter Zeit bin ich immer wieder darauf gestoßen, dass das Abstrakte
immer schon drin war. In den Hintergründen.”
Nach dem Dolphy-Bild, nach dem Kalender mit Portraits von Jazz-Musikerinnen, mit dem er sein Grafikstudium abschloss, zogen die grafischen Arbeiten des in Bremen lebenden Reinhart Hammerschmidt
dieses Hintergründige immer weiter nach vorn. Das „Wesentliche in der Musik, ihren Kern” darzustellen, emanzipierte sich
gegenüber dem Musiker-Portrait, wie es das „Jazzpodium”, für das Hammerschmidt früher zeichnete, so gerne im Blatt hatte. Und
der Zeichner wollte sich gegenüber dem – freilich äußerst hilfreichen – „akribischen Strich” emanzipieren, für den seine
Trierer Studien standen. Grafisch (und musikalisch) drängte Hammerschmidt zu jener Abstraktion, die er erst mit reichlich zeitlichem Abstand in früheren Arbeiten wiederfinden konnte: Nicht nur als
Weg auch aus der drohenden manieristischen Sackgasse, die irgendwann nur noch Platz gelassen hätte, den einen Stil auszuformulieren. Sondern auch, weil „für mich Vor- oder Außersprachliches eine
große Rolle spielt, gerade wenn es grafisch um Musik geht. Essentiell ist, dass der Hörer über die Musik in einer ganz anderen Weise angesprochen wird. Daraus ergab sich die Notwendigkeit einer
Bildersprache, die über das Narrative und Gegenständliche hinausgeht.”
Dann nimmt er seine Hände wieder vom kleinen Blatt und die dichte Textur zieht sich in den Hintergrund zurück. In seltenem Gleichklang schreiten Musik und Illustration
durch die Künstlerbiographie des 49-Jährigen. Einträchtiges Nebenher, aber auch Reibung an den Schnittstellen von Musik und Grafik. Nähert sich Reinhart Hammerschmidt ihnen als Musiker, führt die
Hand den Bogen seines Kontrabasses. Führt sie einen Stift übers Zeichentablett, ist er Illustrator. In Fingerspitzengefühl und -fertigkeit werden Akustisches und Optisches enggeführt, mit der Hand
gewissermaßen als Operator zwischen Auge und Ohr. „Manchmal ist der grafische Prozess ähnlich wie in der Musik“, sagt Hammerschmidt, „Es geht um Material, mit dem ich spiele und herumtüftle, ohne
dabei von einer fertigen Kompositionsidee auszugehen. Ich sehe selten vorher ein fertiges Bild, das ich nur noch zeichnen oder zusammenbauen muss.”
Immer wieder spricht Hammerschmidt vom Zufall. Doch wie die augenblicklich sich herstellenden Konstellationen in musikalischer Improvisation, bedarf der gezielte
Gebrauch des Aleatorischen auch beim Grafiker der Erfahrung und des Wissens um die passenden Rahmenbedingungen. „Den Zufall zu suchen, ist Bestandteil bewusst angewandter Verfahren”, erklärt Hammerschmidt. „Es gilt, an einen Punkt zu kommen, wo man eine Grenze überschreitet – und auf der anderen Seite nicht mehr sagen
kann: Genau so habe ich das geplant.” So entstehen elegante, kleinteilige Erklärungsmodelle, detailreiche Wucherungen. Und
zwar solche, die Ausgangsmaterialien sehr gern unkenntlich machen.
Paradebeispiel solch grafischen Geleits für musikalische Zusammenhänge sind die Reader zu den Fachtagungen der Bremer „projektgruppe neue musik”. Mit Konzerten und Diskussionsrunden nähert sich die pgnm zeitgenössischer Komposition. Für Hammerschmidt fungiert neben einzelnen
Kompositionen auch deren „wissenschaftlich-philosophischer Hintergrund als Reibungspol”. Geometrische Grundformen bündeln
oder überlagern sich in Clustern. Wie eine aus dem Ruder gelaufene Kurvendiskussion. Texturen bleiben hier beobachtbar, zerfallen dort in immer neue Mikrostrukturen. Die Illustrationen zu
„Machinations / Imaginations” beispielsweise speisen sich aus zwei Grundquellen: Vorgezeichnete lineare Elemente und
Aufnahmen der Erde von oben. „Ich hatte gerade ein kleines Zusatz-Grafikprogramm in die Hände bekommen, das auf ganz wunderbare Weise Illustrator Zeichnungen zufallszerschredderte”, erzählt Hammerschmidt. „Das war eigentlich nicht die Aufgabe des Programms. Trotzdem passte es, weil es in dem Jahr darum ging, zu gucken,
wie man mit Computerprogrammen oder anderen Verfahren, die der Komponist nicht bis zuletzt selbst steuern kann, Zufallsergebnisse erzielen kann, mit denen man dann kompositorisch weiter
arbeitet.” Dieses Prinzip setzte Hammerschmidt grafisch fort. Als Reflexion über die Bedingungen von Welterfahrung.
Ist die Welt erfahrbar, schließt sich die Frage an: Was tun? Und: wie? Nach dem Eigensinn des Komponierenden in einem Zeitalter ohne einen „Horizont der Emanzipation” (Jean-Francois Lyotard), fragte die pgnm-Tagung 2000. Hatte Hammerschmidt die vorhergehenden Illustrationen auf Weltbilder und
Globalperspektive aufgebaut, diente dieses Mal das Subjekt als Ausgangspunkt. Für den Tagungsband sammelte er „mehr oder weniger sinnvolle Bauanleitungen”, schichtete sie übereinander, bis engmaschiges Gewebe entstand. An anderer Stelle verlaufen Bogenlinien, Pfeilrichtungen Grundformen neben
einander: Abhängig? Unabhängig? Auf was hinweisend oder -führend? Und wie schon bei den „Machinations” ließen sich wohl auch
die „Horizont”-Illustrationen ihrerseits als – zweifellos eigensinnige – Partituren lesen. Auch an dieser Stelle findet
sich einer dieser unvermuteten grafischen Brückenschläge: Obzwar von der Entstehung (wie vom musikalischen Referenzpunkt) weit entfernt, weisen die „Horizont”-Cluster zurück auf ein Portrait der Tango Nuevo-Legende Astor Piazolla. Der konzentrierte Mann, sein verschachteltes Instrument auf dem Knie,
scheint aus einem ganz und gar abstrakten Raum langsam hervorzutreten.
Energische Striche und kleine, ausgefranste Hell- und Dunkel-Flächen evozieren die brüchigen Räumlichkeiten der argentinischen Tango-Geschichte – ohne diese denkbare Verbindung genau zu benennen. Ein
Spiel mit Räumlichkeiten, das sich unlängst unter anderen Vorzeichen wiederholte. Für das Cover einer CD des improvisierenden Kontrabass- Sextetts „Ensemble Sondarc” übersetzte Hammerschmidt die Raummusik, die er mit fünf Musikerkollegen immer neu entwirft auf die Vorderseite des Booklet-Standardquadrats.
In der Musik wie in der Typo finden sich jene „zerfasernden, zerkratzten, nicht mehr zu dechiffrierenden Schichten”, von
denen der Grafiker spricht. Angefressene Buchstabenblöcke, wie zur Bezeichnung einer längst vergessenen Funktion an die Wand gepinselt: bestimmend und flüchtig zugleich.
Die zeichnende im Verhältnis zur den Bogen führenden Hand des Grafikers/Musikers kommt ein weiteres Mal ins Spiel. Für das Design der Konzertreihe „Improvisationen” und das Festival „A Cute Music” entwickelte Hammerschmidt ein
Verfahren, mit dem er seinen Weg weg vom akribischen Strich noch ein Stück weiter geht. Handschrift und Strich sind Ausgangspunkte. Aber nicht auf Papier oder mit dem Computer. Zur
Materialbeschaffung fotografiert er Lichtquellen, erzeugt durch die Bewegung der Linse Schlieren und abrupte Richtungswechsel. Aus diesen Bewegungs- Bildern entstehen Collagen, die einmal mehr
Hammerschmidts Lust am Unkenntlichmachen folgen. Die Lichtbewegungen und Belichtungs-Punkte werden zerlegt, auf die von 4 mal 5 oder 4 mal 6 Rechtecken gerasterte Fläche verteilt. Kontraste,
Farbgebung und Helligkeitswerte werden verändert. „Es geht auch darum, alles mit allem so zu verzahnen, dass man nicht mehr sieht, wo das eine Material aufhört, und wo das nächste
anfängt.” Eine Aussage, die manche Ensemble-Improvisation des Zufalls-Generators Reinhart Hammerschmidt ebenso treffend
beschreiben würde.
Tim Schomacker, JITTER 2, Magazin für Bildgestaltung 2007, Hrsg. Andreas Rauth
Leben zwischen Kontrabass und Computer
Grafiker und Musiker: Reinhart Hammerschmidt
Reinhart Hammerschmidt ist, wenn man so will, eine gespaltene Persönlichkeit. Nein, nicht im Sinne von Dr. Jekyll und Mr. Hyde mit einer lichten und einer dunklen Seite, der Bremer arbeitet vielmehr
seit vielen Jahren zweigleisig. Einerseits ist er Grafiker, andererseits Musiker, genauer gesagt, Kontrabassist mit einem eindeutigen Hang zur Avantgarde im Grenzbereich zwischen Improvisation und
Jazz, der sich aber durchaus auch für verwandte Künste interessiert.
Auch als Grafiker arbeitet Hammerschmidt besonders gerne im fließenden Übergang zwischen Kunst und Werbegrafik, seine Illustrationen spielen mit Formen und Farben, operieren mit Verschattungen und
lösen oft genug die eindeutige Form zugunsten einer fließenden Bewegung auf. Dieser nichtgegenständliche Zugriff ist in der heutigen Werbegrafik eher die Ausnahme als die Regel. So verwundert es
kaum, dass Reinhart Hammerschmidt mit seiner Vorstellung von Grafik bereits zum zweiten Mal in dem Buch „Freistil - Best of European Commercial Illustration” vertreten ist.
Das opulente über 500-seitige Buch ist gewissermaßen die Bibel der Grafiker und Illustratoren (erschienen im Mainzer Hermann Schmidt Verlag). In der Tat nehmen Hammerschmidts mit Hilfe vn Pixels und
Vektoren komponierte Grafiken in dem kostbar aufgemachten Buch eine Sonderstellung ein, bilden mit ihren Schraffuren und Schwüngen, ihren warmen Farben und ihren Rasterkoordinaten einen deutlichen
Gegensatz zu den übrigen eher sachdienlichen Illustrationen.
Vielleicht inspiriert den Grafiker, der für diverse Bremer Einrichtungen (Musikerinitiative Bremen, Breminale, Projektgruppe Neue Musik, Tanzwerk) arbeitet, dabei durchaus der Musiker, denn oft genug
scheinen sich musikalische Bewegungen in seinen Grafiken widerzuspiegeln. Sicher scheint aber auch, dass die Arbeit des Grafikers Hammerschmidt nicht unerheblich auch ein Abbild in seiner Musik
findet: So hat er sich zuletzt auch intensiv mit der musikalischen Umsetzung filmischer Arbeiten beschäftigt und arbeitet in jüngster Zeit intensiv im Trio mit der Berliner Tänzerin Fine Kwiatkowski
und dem E- und Kontrabassisten Willehard Grafenhorst.
Resultat dieser Zusammenarbeit dürfte auch der Konzeptabend sein, den Hammerschmidt gemeinsam mit seinen Bremer Improvisationskollegen Hainer Wörmann (Gitarre), Uli Sobotta (Euphonium) und Nils
Gerold (Flöte) zu Eröffnung des Jazzfestivals zum 30. Geburtstag der MIB anbietet: „Uurglas” heißt die Performance aus Tanz, Text, Licht und Musik, die im Glashaus (dem Innenhof im Lagerhaus
Schildstraße) am heutigen Donnerstag um 20 Uhr veranstaltet wird.
Neben den erwähnten Improvisatoren sind daran der belgische Dichter Serge van Dujnhoven, der vor einiger Zeit auch bei Poetry on the Road zu erleben war, die besagte Berliner Tänzerin Fine
Kwiatkowski sowie der Lichtdesigner Michael Vorfeld beteiligt. Beinahe überflüssig zu erwähnen:
Den Programmleporello zum 30. Geburtstag der Musikerinitiative Bremen hat natürlich auch der Grafiker Reinhart Hammerschmidt entworfen.
Christian Emigholz, Weserkurier, 22.9.2005
Auffällig mittendrin
Eintrag ins Branchenbuch:
Reinhart Hammerschmidt gehört zu Deutschlands besten Illustratoren.
Deshalb firmiert er in „Freistil”
Was heißt eigentlich illustrieren? „illustrieren ([durch Bilder] erläutern; [ein Buch] mit Bildern schmücken; bebildern)”
schreibt der gute alte Duden. Immer noch ein praktisches Buch, schmucklos zwar, unbebildert, und noch nicht einmal rechtschreibreformiert. Aber er bringt's einfach auf den Punkt: Illustrieren heißt
erläutern.
Also ist der Wahl-Bremer Reinhart Hammerschmidt ein Erläuterer. Und zwar ein guter. Im deutschen Sprachraum sogar einer der besten. Das sagt der Freie Grafiker nicht selbst: Das hat eine Jury
so festgestellt, zwei Fachfrauen, drei -männer und Raban Ruddigkeit, der als Herausgeber des Nachschlagewerks „Freistil”
firmiert. Und jetzt steht's, ’in English’, auf dem schillernden Buchdeckel: „best of german commercial illustration”.
„Es ist nicht so, dass das Telefon heiß gelaufen wäre” sagt Hammerschmidt. Aber
„eine schöne Referenz” sei es doch. Von 600 Einsendern haben 175 den Sprung in die Sammlung geschafft: Hammerschmidt mit seinen
Programmheften für Festivals der Projektgruppe Neue Musik und einem Plakat fürs Hamburger „Open Windows” Jazz-Festival
2002.
Kein zufälliges Thema: Länger noch als die Liste seiner bildnerischen Arbeiten ist die von Hammerschmidt's Konzerten und Einspielungen. Jazzbassist, das hat er zuerst gelernt. 1987 war er Finalist
der European Jazz-Competition. Und auch nach dem Grafikstudium in Trier und an der Hochschule für Künste arbeitet er professionell auf Konzertpodien. „Mich interessiert die Schnittstelle zwischen Kunst und Musik.”
Die „Freistil”-Sammlung ist nicht hierarchisch sortiert. Sicher auch, weil nach Einschätzung des Herausgebers bei der
Illustration hierzulande „das Mittelmaß regiert”. Andererseits war ein Ranking nicht das Ziel der Publikation, sondern
ein Überblick über die Szene. Das Buch erläutert bildlich, was heute im deutschen Sprachraum illustrieren bedeutet. Das Auswahlkriterium sei gewesen, so Ruddigkeit „dass ein bestimmtes handwerkliches Niveau nicht unterschritten” werde. Etliche „gut verdienende Hamburger Grafiker” habe man deshalb aussortiert.
In einer alfabetischen Ordnung aufzufallen, ist andererseits nicht leicht. Vor allem, wenn der Nachname mit H beginnt: Das ist immer unspektakulär irgendwo mittendrin. Hammerschmidt's Arbeiten
gelingt das Kunststück dennoch: Sie verweigern sich dem Trend. Der hat zwar vielfältige Ausprägungen, vom neobarocken Cartoon (Rainer Ehrt) über Peinture-Brute-Design (Kitty Kahane) bis zu
techno-inspirierter Grafik (Georg Wagner) ist alles dabei. Aber er führt deutlich zur Abbildung. Hammerschmidt hingegen komponiert, leise, lakonisch, zurückhaltend. Statt schwitzender Saxofonisten
und anderer Bilder aus der Welt der Musik zeigt er, ganz im Gegenteil, eine musikalische Bildwelt Verschaltungen, Formen, grafische Rhythmen. Und sie verschafft selbst dem einen Begriff von Musik,
der, mangels Ohren, keinen Zugang zu ihr hätte: Nicht der geringste Anspruch, den ein Erläuterer erfüllen kann.
Benno Schirrmeister, taz, 18.7.2003
Im Spagat vom Bass zum Zeichenbrett
Reinhart Hammerschmidt zwischen Musik und Grafik
Wer sich für Freie Improvisation und avancierten Jazz interessiert, kennt den Namen Reinhart Hammerschmidt seit langem. Der Kontrabassist ist Mitglied des Bremer Improvisationsquartetts
„BIQ”, gehört zum norddeutschen „HCL-Ensemble” und spielt
in der Kontrabass-Kohorte „Ensemble Sondarc” deren Mitglieder über ganz Deutschland verteilt sind. Außerdem ist er immer
wieder mit Solo-Performances gerade und gern in Kontakt mit verwandten Künsten wie Video oder Tanz zu erleben. So viel zum Musiker, denn eigentlich ist der in Bremen lebende Hammerschmidt studierter
Grafiker und Illustrator.
Für diesen gilt nun etwas anderes: Viele Bremer dürften schon auf seine Arbeiten geblickt haben, ohne diese unbedingt mit dem Namen Hammerschmidt in Verbindung zu bringen: Er arbeitet nämlich seit
Jahren für Tanz Bremen, das Straßentheaterfestival La Strada und andere Veranstaltungen, versieht die Programmhefte der Projektgruppe Neue Musik mit seiner typischen grafischen
Handschrift, entwirft die Plakate für die Breminale und arbeitet naheliegenderweise auch für die Bremer Musikerinitiative MIB. Außerdem hat er eine Reihe von CDs grafisch ausgestattet. Demnächst
erscheinen gleich vier neue CDs, deren Gestaltung Reinhart Hammerschmidt übernommen hat, und zwar in der Bandbreite vom Jazz & Blues-Quartett „Haunted by the Blues” bis zum Obertonsänger Reinhard Schimmelpfeng, vom Klezmermusiker Christian Dawid bis zu Uli Löhs „Swinging Pool”.
Der Spagat zwischen Musik und bildender Kunst ist keine Seltenheit - inklusive des damit einher gehenden Konfliktes, das eine zu Gunsten des anderen womöglich aufzugeben, ein Konflikt, in dem sich
Hammerschmidt durchaus auch befunden hat. Der deutsche Trompeter Herbert Joos hat mindestens einen so guten Namen als Jazzmusiker wie als Grafiker und Maler. Ähnliches gilt für den Schweizer
Schlagzeuger Daniel Humair. Wie diese beiden hat auch Hammerschmidt, der sich zu Beginn seiner Grafikkarriere stark von den Joos'schen Jazzillustrationen inspiriert fühlte, inzwischen aber einen
eigenen und ganz anderen Weg geht, sich bewusst für den Spagat entschieden und fühlt sich in der labilen Balance zwischen Musik und Grafik wohl.
Jetzt ist die „grafische Seite” Reinhart Hammerschmidts in einem umfänglichen Buch gewürdigt worden. Das aufwändig
gestaltete Opus mit sogenanntem „offenen Rücken”, der die Bindung sichtbar macht und in den Farben des Regenbogens
leuchtet, heißt „Freistil - Best of German Commercial Illustration” und versammelt auf 478 Seiten die 175 besten
Zeichner und Gestalter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aus über 600 Einsendungen wurden die vertretenen Grafiker ausgewählt. Die Arbeiten Hammerschmidts heben sich dabei in ihrem
auf abstrakte Mittel setzenden Ansatz deutlich von den meisten anderen, vielfach mit verfremdeten Comic-Elementen spielenden Arbeiten ab, so dass seine Bilder neben denen von drei, vier
anderen Grafikern nachgerade augenfällig herausstechen. Insgesamt dürfte es sich bei „FreistiI”, das von Raban Ruddigkeit
herausgegeben wurde, um die erste umfassende Darstellung der deutschsprachigen Illustratorenszene handeln. Erschienen ist das Buch mit dem silbrigen Holografiekarton im renommierten Mainzer
Verlag Hermann Schmidt zum Preis von 39,80 Euro.
Christian Emigholz, Weserkurier, 17.4.2003